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Vergleich dich selbst!

Vergleich dich selbst!

„Mama, die Fiona hat gesagt mein neues Fahrrad ist hässlich!“

Kommen dir Sätze wie diese vielleicht irgendwie bekannt vor? Als Kind lief man täglich tränenüberströmt zu seiner Mama, in der Hoffnung, sie würde Fiona eine überziehen… Jedes Elternteil reagiert auf eine solche Situation mit folgendem Satz: „Ach Schätzchen, was interessiert dich das blöde Gelaber von jemand anderem? Dir muss dein Fahrrad gefallen!“
In diesem Satz steckt wohl so viel Weisheit, dass wir nicht in der Lage sind ihn in unser eigenes Erwachsenenleben hinüberzuretten. Wer keine Wahl hat ist unzufrieden und meistens nicht glücklich mit den Vorgaben seines Lebens, da er sie nicht willentlich beeinflussen konnte. Diesen Ausdruck sehe ich immer häufiger in den Gesichtern von Ehepaaren in meiner Nachbarschaft.

Zu viele Wahlmöglichkeiten überfordern uns. Aber auch und so werden wir alleine durch die Auswahlmöglichkeiten nicht glücklich. Was wir also dringend gebraucht haben sind Vergleichsportale und unabhängige (Ironie-alarm) Bewertungsportale, die für uns das beste und passende Produkt herausfiltern. Dem eigenen Geschmack oder der eigenen Intuition wird dabei immer weniger vertraut. Man kauft zielstrebig das Produkt mit 775 5-Sterne Bewertungen im Online-Versandhandel. Schließlich können ja 775 Menschen nicht irren. Dieser Grundinstinkt, der Herde hinterherzulaufen, wenn alle panisch vor einem Säbelzahntiger fliehen, war sicher vor grauer Vorzeit überlebenswichtig. Und ob es sich letztendlich um einen ein realen Tiger gehandelt hat oder es nur die Angst war, es könne sich um einen Tiger handeln, die uns in Aufruhr gebracht hatte, war völlig egal. Schließlich war es immer noch besser einmal umsonst, als einmal zu wenig weggelaufen zu sein.

In Mitteleuropa wurde der Überlebensinstikt längst durch Konsum- und Investitionswut ersetzt. Und hier könnte es sich tatsächlich einmal lohnen selbstständig einen Blick auf ein Produkt zu werfen und nicht blind irgendwelchen Vergleichstest hinterherzuhecheln.  Automobilzeitschriften küren scheinbar im Minutentakt anhand eigener Vergleichswerte das beste Auto seiner Klasse. Diese werden stets von Leserbriefen verfolgt, dass es doch nicht sein könne, dass das eigene Auto schlechter abgeschnitten habe als die Schrottlaube vom Nachbarn. Wieso ist das für uns so wichtig? Im besten Fall hat den Test-Ausschlag die Tatsache gegeben, dass unser Auto 2PS weniger hat und theoretisch 0,1l/100km mehr verbrauchen könnte, was aber im Alltag völlig irrelevant ist. Im schlechtesten Fall fährt die Redaktion seitdem neue Dienstwägen. Ohne herausragende Testergebnisse kaufen wir keine Produkte mehr, was die Glaubhaftigkeit der Tests relativieren sollte. Und das gilt branchenübergreifend.

Ohne herausragende Testergebnisse kaufen wir keine Produkte mehr, was die Glaubhaftigkeit der Tests relativieren sollte.

Was Finanzzeitungen oder Ratingagenturen bewerben  und bewerten kann niemals schlecht sein. Geschweige denn es stehen ganze Industriezweige mit faktisch unerschöpflichen Finanzreserven entgegen. Der 6. Teil einer namhaften Videospielreihe war der absolute Tiefpunkt und eine Frechheit am Endverbraucher. Der 5. Teil war gut und der 7. ist wieder überragend. Der 6. Teil war und bleibt aber einfach grottenschlecht. Das hat einzelne manische Videospielzeitschriften jedoch nicht davon abgehalten hohe Wertungen zu vergeben, wohingegen seriöse Portale das Spiel verrissen haben. Und das sind Wertungen von Journalisten, denen man Unabhängigkeit Attestieren möchte. Man möchte sich in dem Zusammenhang  fast vor der Firma Apple verneigen. Die bringen jedes Jahr ein oder zwei neue Telefone auf den Markt. Man kann sie kaufen oder nicht, es scheint der Firma geradezu egal zu sein. Wenn sie einem aber nicht gefallen, bekommt man kein maßgeschneidertes Handy von ihnen gebastelt. Diese Lehre haben sie aus den Fehlern von Nokia gezogen. Wenn ich hingegen einen neuen Wasserkocher kaufen möchte, bin ich mit dem Angebot von hunderten von Plastikbüchsen schier überfordert. Kurz: Ich müsste auf Bewertungen von realen oder fiktiven Personen vertrauen, die ich nicht kenne und denen ich niemals begegnen werde. Letztendlich bin ich neulich doch in einen Elektronikmarkt gegangen und habe mir einen Wasserkocher gekauft, der mir optisch ganz gut gefallen hat. Der hatte zwar nicht eine unendliche Anzahl von 5-Sterne Bewertungen, aber wen interessiert es? Ich persönlich habe eh immer noch den Verdacht, dass die blöde Fiona mir auch 30 Jahre später meine Produkte im Internet schlecht reden könnte.

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