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Top-Job Strafverteidiger

Finanzdiva zu Besuch bei Dr. Nicolas Frühsorger

„Der Job verlangt nicht nur ein dickes Fell, auch der Mandant ist in der Regel männlich und schwierig im Umgang mit Frauen.“

Eine Frage der Freiheit: Ein Strafverteidiger packt aus. Wir hätten ja auch gern eine Strafverteidigerin interviewt, aber die sind dünn gesät, also fragen wir einen männlichen Kollegen, woran das liegt – und was die Frauen verpassen.

Dr. Nicolas Frühsorger aus München über die neue Lohngerechtigkeit

FD: Sie rocken den Gerichtsaal. Was macht eigentlich ein Strafverteidiger?

Dr. Frühsorger: Ein Strafverteidiger bzw. eine Strafverteidigerin stellen oftmals die letzte Bastion zwischen einem Beschuldigten bzw. später Angeklagten und seiner Verurteilung durch ein Strafgericht dar. Als Organ der Rechtspflege und Dienstleister zugleich übernehmen wir eine wichtige Doppelaufgabe. Wir stellen in dem Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Staat (Gericht/ Staatsanwalt) und Bürger (Beschuldigter/Angeklagter) die sog. Waffengleichheit her und sorgen für Parität. Wir sind Ohr und Sprachrohr zugleich.

FD: Wie sieht Ihr typischer Alltag aus?

Dr. Frühsorger: Ein Strafverteidiger hat keinen „typischen“ Alltag. Das ist das Faszinierende an dem Job. Natürlich erfährt sein Auftritt vor Gericht in der Regel die größte (mediale) Aufmerksamkeit. Oftmals ist das Ziel der Verteidigung aber auch, eine öffentliche Hauptverhandlung gerade entbehrlich werden zu lassen. Ein großer Teil der Arbeit findet im Büro oder bei Besprechungen mit Mandanten statt. Der Beruf bringt es allerdings mit sich, dass man oftmals den Mandanten haftbedingt nicht einbestellen kann, sondern zu ihm in das jeweilige Gefängnis fahren muss. Je nach Erfolg der eigenen Arbeit und Ausrichtung der Kanzlei kann diese Fahrt einen auch durch die ganze Republik führen. Dazu kommen besondere Ereignisse, wie Verhaftungen oder Hausdurchsuchungen, die einem den ganzen Tagesplan durcheinanderbringen können.

FD: Was für Qualitäten muss man für so einen Job mitbringen?

Dr. Frühsorger: Meinen Sie das rechtlich oder tatsächlich?

FD: Beides.

Dr. Frühsorger: Rechtlich müssen Sie entweder in Deutschland zwei juristische Staatsexamina mit mindestens 4 Punkten bestanden und damit die Befähigung zum Richteramt erlangt haben, um bei der für Sie zuständigen Rechtsanwaltskammer des Gerichtsbezirkes des für Sie zuständigen Oberlandesgerichts die Zulassung als Rechtsanwalt beantragen zu können oder als ausländischer Rechtsanwalt besondere Kriterien erfüllen. Die Bezeichnung „Strafverteidiger“ ist nicht besonders geschützt, der Titel „Fachanwalt für Strafrecht“ dagegen schon. Hierzu ist eine Zusatzqualifikation erforderlich, die gemeinhin auch als „3. Staatsexamen“ bezeichnet wird. Wer ein strafrechtliches Problem hat, sollte damit stets einen Fachanwalt für Strafrecht aufsuchen. Mit einem gebrochenen Bein geht man ja auch zum Chirurgen und nicht zum Internisten.

FD: Und tatsächlich? Braucht man in Ihrem Job nicht eine gewisse Rücksichtslosigkeit?

Dr. Frühsorger: „Rücksichtslosigkeit“ ist sicherlich der falsche Ausdruck, aber mit einem haben Sie Recht. Der Beruf des „Strafverteidigers“ setzt eine gewisse Spezies an Menschen voraus. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass man tagtäglich mit schwierigen Schicksalen und Abgründen der menschlichen Gesellschaft konfrontiert wird. Ich denke hier weniger an trockene Fälle der Insolvenzverschleppung oder der Steuerhinterziehung als vielmehr an blutige Morde oder Fälle des sexuellen Kindesmissbrauchs, der Kinderpornographie oder Ähnliches. Wer den Umgang mit dieser Materie nicht möchte oder auf Dauer hieran zerbrechen würde, sollte sich lieber einem anderen Rechtsgebiet zuwenden. Auch sollte man von dem eigenen Mandanten, der bundesweit wegen mehrfachen schweren Betruges gesucht wird, nicht allzu viel Ehrlichkeit bei der Einhaltung zugesagter Anwaltshonorare erwarten. Vorkasse ist hier oftmals der einzig vernünftige Weg.

FD: Gibt es viele Frauen in Ihrem Job?

Dr. Frühsorger: Leider nicht.

FD: Woran liegt das?

Dr. Frühsorger: Wahrscheinlich an demselben Grund, warum es auch weniger weibliche Kommissarinnen bei den Mordkommissionen gibt. Der Job verlangt nicht nur ein dickes Fell, auch der Mandant ist in der Regel männlich und schwierig im Umgang mit Frauen, sei es entweder auf Grund der ihm zur Last gelegten Tat (z.B. Vergewaltigung), auf Grund seines intellektuellen und kulturellen Hintergrundes oder auf Grund seines Frauenbildes (z.B. Top-Manager, der jede Frau als „Mäuschen“ anspricht). Wenn Sie in diesem Becken als Frau erfolgreich mitschwimmen wollen, müssen Sie noch härter sein als Ihre männlichen Kollegen.

Zudem sehe ich ein weiteres Problem der weiblichen Kolleginnen darin, dass auf der Seite ihres prozessualen Gegenübers – also bei den Staatsanwaltschaften und Strafgerichten – überproportional häufig Frauen anzutreffen sind. Dies ist vermutlich der erleichterten Vereinbarkeit solcher Berufe mit Kindern und Familie geschuldet. Als Frau wissen Sie allerdings selbst am besten, welche Kriterien auf einmal eine Rolle spielen können, wenn Sie mit anderen Frauen um gewisse Punkte – berechtigt oder unberechtigt – streiten. Wir Männer haben diese Probleme in der Regel nicht.

FD: Lassen Sie uns über Geld reden. Frauen verdienen im Durchschnitt signifikant weniger als Männer. Ist das auch in Ihrer Branche der Fall?

Dr. Frühsorger: Dies ist mit Blick auf die vorherige Frage mit einzelnen bekannten Ausnahmen schwer zu beantworten, aber in der Regel sicherlich aus denselben Gründen zu bejahen. Dagegen sind weibliche Kollegen überproportional häufig in anderen Rechtsgebieten vertreten, beispielsweise im Familienrecht.

FD: Schafft das neue „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“ Abhilfe? Oder ist es nur ein nettes Statement?

Dr. Frühsorger: Oh, da fragen Sie mit mir als Strafverteidiger aber sicherlich den völlig Falschen. Diese Frage müssten Sie eigentlich einer meiner Kolleginnen Frau Dr. Barbara Kolb stellen. Sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht. Dort hinein zielt Ihre Frage. Anmerkung Redaktion: Okay! Frau Dr. Kolb, Sie haben das Wort 😉

An dieser Stelle bedanken wir uns bei Dr. Nicolas Frühsorger für das Interview.

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