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ENDLICH FREI!

Vom Bösewicht zum Weltverbesserer

Der Knast ist ein unheimlicher Ort. In dieser Umgebung herrscht eine eiskalte Atmosphäre. Zugleich ringen die Insassen wie Haie im Meer um Dominanz. Wer im Gefängnis überleben will, muss entweder sehr aggressiv sein oder über emotionale Intelligenz verfügen. Insofern ist die interessante Frage, die sich an diesem kalten Wintertag stellt, ob Coss Marte seinen Erfolg seiner Angriffslust verdankt oder seiner inneren Stärke gepaart mit einem hohen Maß an unternehmerischer Neugier.

„Es kam zu einer Art spirituellem Erwachen als ich in Einzelhaft saß.Gott hat mich auf diese verrückte Reise geschickt. Ich habe dadurch meine Lebensaufgabe  gefunden.“

Photo©Coss Marte

Photo©Coss Marte

Keine Zweifel, der ehemalige Gefängnis-Insasse ist ein talentierter Geschäftsmann.  Ein Typ, der polarisiert. Der Amerikaner machte 2017 durch zwei Dinge auf sich aufmerksam: ConBody, sein knallhartes Knast-Workout – und seine Firma, die ehemalige Häftlinge beschäftigt. Bereits im Alter von 19 bis 23 verdiente er mit dem Verkauf von Drogen mehr als zwei Millionen Dollar. Zugegeben! Das Ganze gehörte zu seinen weniger sonnigen Seiten abseits des Legalen.  Und Coss Marte wanderte für seine illegalen Deals mehrere Jahre in den Knast. Aber gerade diese Zeit machte ihn zu dem, der er heute ist. Ein faszinierender CEO und Gründer von ConBody – einem knallharten Knast-Bootcamp, das die Fitness-Szene revolutioniert.

„Der Knast ist kein schöner Ort. Und ich empfehle auch niemandem dort hinzugehen, um seine Berufung zu finden.“

Photo©Coss Marte

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Es spricht einiges für den Kampfgeist des jungen Mannes. Isoliert in Einzelhaft versank er nicht in Selbstmitleid. Stattdessen entwickelte er dort seine Geschäftsidee und entwarf eine Art „Baby-Businessplan“. Coss Marte schrieb alles auf, angefangen von jedem einzelnen Workout bishin zu den einzelnen Schritten, die er gehen wollte. Das war der Anfang seines neuen, anderen Lebens, geprägt von Zielstrebigkeit und eiserner Disziplin. Nachdem er aus dem Gefängnis kam, absolvierte er ein Business-Program von „Defy Ventures“, das  Professoren von Stanford und Harvard unterrichteten. Die Idee dahinter ist abstrakt: Leute, die illegale Geschäfte geleitet haben, seien auch fähig, ein legales Business zu führen.

Foto©Marques Jackson

Das mag umstritten klingen, aber Coss Marte liefert den Beweis, dass es möglich ist. Seit vier Jahren leitet er seine Firma bestehend aus einem Team von 17 Mitarbeitern. Darunter zählt er stolz 13 Ex-Inhaftierte zu seinen Angestellten. Seine Mission, ehemaligen Gefangenen einen Job zu geben ist auch ein Symbol für seinen Drang, Menschen eine zweite Chance zu geben. „Als ich aus dem Gefängnis kam, wollte mich niemand einstellen. Es ist schwierig mit einer Strafakte in den USA einen Job zu finden. Die meisten Leute werden dann einfach abgelehnt. Ich möchte die Vorurteile gegenüber ehemaligen Inhaftierten abbauen. Und ich will ihre Sicht auf sie und ihre Möglichkeiten verbessern. Wir sind doch alle nur ganz normale Menschen – niemand ist perfekt.“

Photo©Coss Marte

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Der Leidenschaft für seine Fitness-Firma haftet auch etwas Loyales an. Seit der Firmengründung vor über vier Jahren hat schließlich noch kein einziger Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. „Alle sind so hungrig und wollen die Firma voranbringen und ein Teil von ihr sein.“ Das spricht übrigens auch für ihn als Chef. Schon darin unterscheidet er sich von vielen Vorgesetzten, die ihre Angestellten wie Haie durch ihr Territorium jagen. Er versteht, wie man ein Team zum Erfolg führt. „Im Führen von Leuten bin ich besonders gut und die Leute mögen mich. Die meisten Angestellten hingegen hassen ihre Vorgesetzten. Bei uns fühlt sich jeder wie in einer Familie und nicht wie ein Angestellter.“ Große Worte aus dem Mund eines Mannes um die dreißig. Sein Erfolgsrezept klingt einfach: Kontinuität, harte Arbeit und Mund-zu-Mund-Propaganda: „Jeden Tag habe ich bis zu 20 Leute auf der Straße angesprochen und auf ConBody aufmerksam gemacht. Ich höre nicht auf, es zu promoten.“

Photo©Coss Marte

Photo©Coss Marte

Neben der anspruchsvollen Aufgabe, neue Kunden zu gewinnen, kümmert sich Coss Marte intensiv um die Beschaffung von Kapital, um sein Business groß zu machen. Einen ersten Meilenstein lieferte die Crowdfunding-Plattform Kickstarter und brachte ihm fast 30.000 Dollar ein. Weitere Investoren-Gespräche finden bereits statt. Doch manche Deals brauchen ihre Zeit und erfordern ein hohes Maß an Geduld. Zum Schluss noch die Frage, ob er das extreme Knast-Workout auch nach Europa bringt. Ja, geplant sei London gleich zum Jahresbeginn 2019.

Photo©Coss Marte

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Die Herausforderungen, die ihn auf dem Chefsessel erwarten, sind nicht nur vom breitgefächerten Arbeitsgebiet groß. Es gilt auch ein Budget zu verwalten und – last but not least – frisches Geld für den Eintritt in den internationalen Markt aufzutreiben. Angst vor Verantwortung hat er keine. Immerhin blickt er auf eine prominente Kundschaft: Unter ihnen der „Seinfeld“-Produzent- und Drehbuchautor Larry David sowie Avatar-Bösewicht Stephen Lang. Auch Paris, Mailand und andere Metropolen will er mit ConBody erobern. Noch fehlt es an ausreichend Kapital. Aber er ist felsenfest davon überzeugt, dass er es schaffen wird.

Dieses Portrait erschien im Materialist#06/1/2018

Das Original-Interview mit Coss Marte findest du hier.

Knast als Investment? Alle Infos findest du hier.

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