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Herr Doktor! Ist der Bitcoin tot?

Kat€ traf den Anlage-Profi Dr. Gerd Kommer

Insgesamt finde ich das Traden von Einzelaktien für Privatanleger sinnleer, genauso wie ich eine Zigarre mit Geldscheinen anzuzünden sinnleer finde. – Dr. Gerd Kommer

© Dr Gerd Kommer für finanzdiva.de

© Dr Gerd Kommer

In der Aktienwildnis die richtigen Werte im Depot zu haben entscheidet über Glück und Unglück. Wer den Dschungel aber nicht mühsam selbst nach riskantem Zeug durchforsten will, findet bei Dr. Gerd Kommer wertvollen Rat und einen idealen Begleiter. Kat€ sprach mit ihm über die Kunst, auch in rasanten Börsen-Zeiten entspannt zu bleiben. 

FD: Ihre ETF-Bibel hat die Finanzdiva-Bücher vom Thron gestoßen. Warum sind ETFs in?

Dr. Gerd Kommer (GK): ETFs basieren auf einer simplen rechtlichen Struktur, die in den USA vor über 80 Jahren erfunden wurde, nämlich „Mutual Funds“, und die seitdem in den USA und Europa immer weiterentwickelt und sicherer gemacht wurde. ETFs im engeren Sinne existieren seit 24 Jahren.

FD: Und was macht sie nun so besonders?

GK: Sie haben die zwei schwersten Finanzkrisen seit der Great Depression (1929 bis 1937) problemlos überstanden, nämlich die Dot.Com-Krise und die Große Finanzkrise ab 2008. ETFs oder – rechtlich formuliert – sogenannte „UCITS-Fonds“ (Investmentfonds) sind das am schärfsten regulierte Anlageprodukt überhaupt, schärfer reguliert als z. B. Anlagen in Wohnimmobilien oder Lebensversicherungen.

FD: Hand aufs Herz: Warum sind passive Investments Ihr Ding?

GK: Weil prognosefreies, rein-rationales und wissenschaftlich-orientiertes Investieren für Privatanleger besser funktioniert als jede andere Methode.

FD: Und was fasziniert Sie daran?

GK: Dinge, die funktionieren, finde ich faszinierend. Wenn diese Art Geld anzulegen dann auch noch sicherstellt, dass Menschen Erfolg bei ihrer Altersvorsorge haben, dann freut mich das.

FD: Jetzt mal unter uns. Wie gefährlich sind ETFs wirklich?

GK: Buchstäblich 99% der in den Medien veröffentlichten Kritik an ETFs kommt von interessenkonfliktbehafteten Vertretern der traditionellen Finanzbranche, die Angst um ihren dicken Gebührenkuchen haben oder von Journalisten, die diese parteiischen ETF-Gegner papageienhaft nachplappern. Suchen Sie mal eine ETF-Kritik von einem an einer Universität angestellten Wissenschaftler. Sie werden sehr wenig finden. 

Wer Risiko, Kosten und Steuern nicht korrekt berücksichtigt, ist von Vorneherein auf dem Investment-Loser-Pfad. – Dr. Gerd Kommer

© Dr Gerd Kommer für finanzdiva.de

© Dr Gerd Kommer

FD: Sie sagen, seit Jahren haben Sie noch keins Ihrer passiven Investments verkauft. Langweilt Sie manchmal Ihre Anlage-Strategie? 

GK: Überhaupt nicht. Ich wäre schön blöd, wenn ich mein Vermögen und meine Altersvorsorge für Entertainment auf Spiel setzen würde. Es gibt Hunderte oder Tausende von Dingen, die ein normaler Mensch tun kann, um Spaß und Unterhaltung im Leben zu haben, einschließlich eine kleinere Geldsumme im Casino zu verballern –  beim Pferderennen zu verwetten oder hochalpines Bergsteigen. Vermögensanlage und Altersvorsorgen gehören nicht zu diesen Dingen.

FD: Handeln Sie selbst auch Aktien? Wenn ja, was ist Ihre Lieblingsaktie?

GK: Ich finde alle Aktien interessant – die große Mehrheit der „toten“ Aktien, die in den letzten 120 Jahren auf Nimmerwiedersehen verschwanden, und die im Vergleich dazu kleine Zahl, die heute leben. Ein Beispiel: Der DAX-Index mit seinen 30 Titeln wurde 1988 aufgelegt. Jetzt, knapp 30 Jahre später befinden sich 12 von diesen 30 Einzelaktien bereits im Nirvana. Weg. Verschwunden. Arrivederci.

FD: Und weswegen sind diese 12 Titel aus dem DAX geflogen?

GK: Viele davon wegen armseliger Renditen. Bei kleineren Aktien geht das Überwechseln in die ewigen Jagdgründe noch schneller. Insgesamt finde ich das Traden von Einzelaktien für Privatanleger sinnleer, genauso wie ich eine Zigarre mit Geldscheinen anzuzünden sinnleer finde.

FD: Warum das denn?

GK: Der durchschnittliche Privatanleger unterperformt bei dieser Aktivität eine korrekt gewählte Benchmark auf kurze Sicht und auf lange Sicht ist es nahezu garantiert, dass er oder sie dabei Geld drauflegt, wenn man Risiko, Kosten und Steuern korrekt berücksichtigt. Wer Risiko, Kosten und Steuern nicht korrekt berücksichtigt, ist von Vorneherein auf dem Investment-Loser-Pfad.

FD: Stichwort Kryptocoins: Ist der Bitcoin tot, Herr Dr. Kommer?

GK: Bitcoin dürfte eine der schlechtesten unter den vielen Duzend vorhandenen Cryptocurrencies sein. Gut möglich, dass die Bitcoin-Schwindsucht seit Anfang 2018 das Anfang vom Ende ist. Letztlich weiß ich das natürlich nicht.

FD: Was vermuten Sie?

GK: Eins ist sicher: Es wird immer wieder neue „einmalige Investment-Chancen“ geben, die irgendwo, irgendwann vorrübergehend aufpoppen, und von denen Träumer oder Gierschlunde glauben, sie könnten sich damit reich spekulieren. Überwiegend enden Sie beim Gegenteil.

FD: Finanzielle Freiheit – eine Illusion und wenn ja, warum?

GK: Erstens ist dieses Konzept von seinen Aposteln (vorwiegend Ratgeberbuchautoren und Finanzbloggern) in den letzten drei, vier Jahren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden. Inzwischen heißt es alles und sein Gegenteil. Fuzzy language, fuzzy thinking, poor results.

Zweitens sind die Rezepte, die zur Erreichung der sogenannten „finanziellen Freiheit“ propagiert werden, überwiegend Finanzpornographie, sprich entweder einfach falsch oder vollkommen unrealistisch.

Drittens kann man von wirklicher finanzieller Freiheit wie ich Sie meine erst ab einem zweistelligen Millionen-Nettovermögen sprechen.

FD: 10 Millionen! Und dann wird gechillt…

GK: Selbst auf diesem Niveau heißt das nicht, dass man in seinem Finanz-Gebahren jahrzehntelang machen kann, „was man will“. Ein zweistelliges Millionen-Nettovermögen besitzen in Deutschland übrigens nur weniger als 0,4% aller Haushalte. 

FD: Sorry, lieber Leser, aber ein bisschen Neid muss an dieser Stelle sein! Finde gleich heraus, wie viele Deutsche mehr verdienen als du…

Zurück zum Interview!

FD: Syrienkonflikt, Handelsstreit, Schuldenkrise in Europa, Nordkorea, islamistischer Terror: Wie schaffen Sie es als passiver Investor in turbulenten Zeiten ruhig zu bleiben?

GK: Indem ich mir vor Augen halte, dass der Aktienmarkt, wenn man via Indexfonds global diversifiziert investiert, in den letzten 120 Jahren viel, viel schlimmere Krisen überstanden hat. Und ich meine „VIEL, VIEL SCHLIMMER“.

FD: Das bedeutet Krise = Chance?

GK: Trotz oder sogar wegen dieser Krisen hat der Weltaktienmarkt sehr attraktive Renditen produziert – höhere Renditen als jede andere Asset-Klasse inklusive Immobilien. An diesen attraktiven Langfrist-Renditen können Sie als Anleger aber nur partizipieren, wenn Sie nicht von der Seitenlinie aus zuschauen. Im Übrigen gibt es sowieso keinen Zeitraum, in dem die subjektive Wahrnehmung der Zeitgenossen nicht das ewige „die Welt geht unter“ war.

FD: Dürfen wir uns wieder sicher fühlen?

GK: Ich persönlich finde es lächerlich, dass wir glauben, unsere Zeit sei besonders krisenhaft. Das Gegenteil ist der Fall. Lesen Sie dazu mal das neue, geniale Buch von Steven Pinker „Enlightment now“.

FD: Worum geht’s?

GK: Uns geht’s immer besser und die Welt insgesamt wird immer sicherer. …Mir tun die Leute leid, die das nicht sehen und vermutlich auch deswegen falsch investieren.

FD: Und zu guter Letzt: Ihr Tipp für Finanzdiven zum einfachen reich werden?

GK: Ganz einfach: 10% bis 20% seines Nettoeinkommens jahraus, jahrein in einen global diversifizierten Aktienindexfonds investieren. Relaxen. Sich wichtigeren Dinge im Leben widmen als der allerneuesten Investment-Mode nachhecheln. 20, 30 oder 40 Jahre warten. Dann die Ernte einfahren. 

finanzdiva.de bedankt sich bei Dr. Gerd Kommer für das Interview.

Mehr zu Dr. Gerd Kommer findest du in seinem aktuellen Vortrag auf dem Kapitalgipfel 2018

EeeTeee was???? ETFs! Die unscheinbaren Börsenstars…

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